Es gibt Gefühle, die mögen wir, finden sie gut und angenehm und wünschenswert. Und es gibt Gefühle, die uns unangenehm sind und die wir am liebsten ausradieren würden. Zu diesen lästigen, ungeliebten Gefühlen gehört die Wut.
Aber, wenn wir sie doch so überhaupt nicht mögen ...
… warum werden wir dann überhaupt wütend?
Die Wut ist ein wunderbarer Seismograf dessen, was wir nicht wollen. Sie zeigt uns die Grenze, bis wohin wir etwas akzeptabel finden und ab wann wir mit einer Situation nicht mehr einverstanden sind.
Wir werden entweder wütend auf jemand anderen, der unsere Grenze scheinbar oder tatsächlich überschreitet und dem gegenüber wir klare Kante zeigen wollen.
Oder wir richten die Wut gegen uns selbst. Auch das ist ein Anzeichen dafür, dass wir zutiefst unzufrieden sind und wollen, dass etwas aufhört.
Welches Bedürfnis steckt hinter der Wut?
Häufig steckt ein tiefes Grundbedürfnis hinter unserer Wut. Und diese Wut will gehört, gesehen und respektiert werden.
Je mehr wir sie unterdrücken und partout nicht haben wollen, desto mehr neigt sie dazu, unkontrolliert auszubrechen. Und dann wirkt sie oft (selbst-)zerstörerisch. Wenn wir dann auch noch Schuldgefühle oder Scham entwickeln, sind wir in einer destruktiven Wutspirale gefangen.
Ich möchte hier einen Weg aufzeigen, wie wir lernen können, die Wut zu nutzen, um etwas über uns selbst zu lernen, sie als Kraftquelle zu nutzen und uns auf einer tieferen Ebene zu heilen.
Verdrängte Wut hat einen hohen Preis
Wut gehört zum Leben und ist keineswegs falsch.
Oft hat ein Wutausbruch damit zu tun, dass wir alte Verletzungen nicht geheilt haben und zeitlebens darum bemüht waren, dieses Gefühl herunterzuschlucken.
Das bringt uns in ein Dilemma. Wir strengen uns so sehr an, das natürliche Gefühl der Wut zu unterdrücken, dass wir dabei unsere Energie verbrauchen und unsere Vitalität verlieren.
Alte Wut heilen
Es ist sehr hilfreich zu verstehen, wie nicht ausgelebte, sondern etwa aufgrund von Erziehung und kultureller Prägung früh unterdrückte und verdrängte Gefühle in uns weiterwirken. Diese alte, unterdrückte Wut kann manchmal ganz überraschend getriggert werden und in unkontrollierter Weise ausbrechen.
Der im Folgenden beschriebene Prozess heraus aus der Wutspirale hilft dabei, sich auf einer tiefen Ebene zu heilen. Dem Gefühl der Wut Raum zu geben und sich mit ihm auszusöhnen, kann spürbar befreiend sein.
Wut als Weg zu neuer Vitalität
Im Wesentlichen geht es darum, die Wut zuzulassen und eine Form zu finden, wie man sie in einem geschützten, sicheren Raum ausleben kann.
Auf diese Weise findet man Zugang zu der eigenen Vitalität. Die eigene Wut anzunehmen, führt zu mehr Selbstliebe und Mitgefühl anderen gegenüber. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass hinter der Wut vielfach Verletzungen stecken.
Sich in diesen Verletzungen anzunehmen, ist ein bedeutender Schritt.
Wie wird man aufgestaute Wut los?
Darum geht es bei dieser Methode nur bedingt. Das Ziel ist eher, die Wut als Kraftquelle kennenzulernen und als Einladung zu begreifen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Die folgende Übung nach der Grinberg Methode kannst du machen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist – wenn du also eine Wutattacke hattest, die du nicht einordnen kannst und die du gerne besser verstehen möchtest.
Oder du machst diesen sogenannten P.A.S.S.I.O.N-Prozess als Vorbereitung auf eine Situation, von der du schon im Vorfeld weißt, dass dich dabei etwas ärgern wird und dass du auf eine neue Art und Weise auf die Situation reagieren möchtest.
Und wenn du diese Übungssequenz schon ein paarmal bewusst durchlaufen hast, kannst du das Erlernte auch in einer aktuellen Wutsituation anwenden, um so die Energie freizusetzen, die es dir erlaubt – auch spontan – anders mit der Situation umzugehen.
P.A.S.S.I.O.N.-Prozess nach der Grinberg Methode
Schritt 1: Wut identifizieren
Zunächst geht es darum, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken:
Schritt 2: Wut annehmen
In einem zweiten Schritt geht es darum, die eigene Wut zu identifizieren und zu spüren.
Schritt 3: Wutmuster intensivieren
In einem dritten Schritt geht es darum, mit der automatischen Wutreaktion umzugehen und sie sogar noch zu steigern. In diesem Schritt erlaubst du deinem Körper, den alten, gewohnten Umgang mit der Wut bzw. ihren Ausdruck ungehindert zu durchleben.
Ganz langsam und sorgfältig spannst du überall dort mehr an, wo dein Körper sich verkrampft.
Erlebe dabei ganz bewusst die Muskelanspannung, die sonst eher unkontrolliert stattfindet, wenn du Wut empfindest.
Je detaillierter du dir das alles verdeutlichst, umso besser kannst du aus den Automatismen ausbrechen.
Warum sollte ich dieses unangenehme Gefühl auch noch verstärken?
Wenn du die unbewusste Grundspannung noch verstärkst, wirst du sie künftig leichter wahrnehmen, wenn sie auftaucht. Außerdem kannst du dadurch nach der Anspannung tiefer und bewusster entspannen.
Schritt 4: Die Wut lösen
Halte die Spannung noch eine Minute lang und lasse dann los.
Im vierten Schritt geht es darum, den automatischen Ausdruck der Wut loszulassen. Eine große Herausforderung!
Jetzt brauchst du den Mut, offen für Neues zu sein. Bereit zu sein, die Situation zu verändern. Wenn du die Spannung, die die Wut in deinem Körper verursacht hat, bewusst wahrnimmst, wird dir dieser Schritt leichtfallen.
Schritt 5: Atme tief durch
Mache eine Vollatmung vom Bauch bis hoch zu den Schultern. Koste jeden Atemzug aus und versuche, jeden Atemzug etwas voller als den Vorherigen zu machen. Spüre, wie dein Körper sich weitet.
Schritt 6: Öffne dich für Neues
Dehne und schüttle dich. Mache dabei keine Dehnübungen, wie du sie vielleicht vom Sport her kennst, sondern erspüre, was dein Körper jetzt braucht. Sorge dafür, dass du weiterhin tief atmest und deinen Körper mit viel frischem Sauerstoff und neuer Energie versorgst.
Schritt 7: Die Lösung und der Weg ins Unbekannte
Lege oder setzte dich entspannt hin. Denke noch einmal an deine Wut und daran, was du dir wünschst und brauchst, und versuche, im Körper bewusst locker zu bleiben.
Oftmals taucht in dieser Entspannungsphase eine unerwartete Lösung auf. Dann schlägst du sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe:
Du tust deinem Körper etwas Gutes, indem du auf eine achtsame Art und Weise den inneren Druck auflöst. Und durch die neue Gelassenheit eröffnet sich dir ein Weg aus der Sackgasse, hin zu neuen Möglichkeiten.
Sei gewiss: Die Lösung liegt in dir! Mit diesem Training kannst du neue Wege aus der Wutspirale entdecken!
Lass dich überraschen
Probiere diese Übung einmal aus. Du wirst überrascht sein!
Wenn du bei diesem Prozess Unterstützung möchtest, melde dich gerne bei mir. Auch wenn du dazu Einzelsitzungen nehmen möchtest – ich bin sowohl online als auch in meiner Praxis für dich da.
Mein Fazit
Meine Arbeit mit mir selbst und meinen Klienten in den letzten knapp 20 Jahren hat mir gezeigt, dass Wut nichts Schlechtes ist, sondern ein wertvoller Lehrmeister.
Es würde mich sehr freuen, wenn du mir schreibst, was du mit dieser Übung erreichen konntest, sei es einmalig oder in einem regelmäßigen Prozess. Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen.
Wenn dich das Thema interessiert und du noch weitere Übungen kennenlernen möchtest, kann ich dir einen Artikel ans Herz legen, den ich mit meiner langjährigen Kollegin und sehr guten Freundin Valerie Adolff im Online-Magazin MiaBoss veröffentlicht habe.
Hier geht es vor allem darum, dass Wut bei Männern viel akzeptierter ist als bei Frauen. Wir stellen noch weitere Übungen vor, mit denen Frauen einen Weg aus dem Dilemma finden können, wenn sie ihre Wut nicht mehr länger hinunterschlucken wollen, sie aber auch im Arbeitsleben nicht ungebremst ausagieren möchten:
Wut ist gut - Aber nicht bei Frauen! MiaBoss.de | Für Unternehmerinnen & Gründerinnen | TOP 2021 -